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Dänikon – genussvoll unterwegs

Auf Landpartie nach Dänikon

Wenn ich Omnibusse sehe, muss ich immer an Wale denken, die sich unbeeindruckt vom ruhelosen Schwarm der übrigen Meeresbewohner ihren Weg bahnen. Vielleicht sind mir die neuzeitlichen Kutschen deshalb so sympathisch, weil man ja auch die grössten Tiere der Welt wegen ihrer Gutmütigkeit und ihrer majestätischen Würde mag. Ich fahre zudem gerne Bus, weil ich an nichts denken muss, während mich der Chauffeur zuverlässig ans Ziel bringt. Und ich liebe Dorffeste. Wegen der Bratwürste vom Dorfmetzger und dem Kartoffelsalat, vor allem aber wegen der hausgemachten Kuchen aus der Landküche.

Optimal ist es natürlich, wenn beides zusammenkommt. Wie an diesem Wochenende. Dorffest in der Gemeinde Dänikon, von Zürich aus direkt mit der Buslinie 491 zu erreichen. Das kulinarische Programm klingt vielversprechend: Beinschinken und Kartoffelsalat im Alpstübli, Vesperplättli und Rösti am „Mampf-Platz“, Fischknuschperli und Öpfelchüechli in der Fischbeiz. Also auf zu einer fröhlichen Landpartie wie zu Gottfried Kellers Zeiten, hinaus vor die Tore der Stadt. Die durchfahren wir erst in Regensdorf, die Überbauungen der Agglomeration erreichen offenbar schon die eigentlichen Stadtgrenzen von Zürich.

Doch dann signalisieren sattgrüne Wiesen den Beginn des Furttals, wir fahren durch Dällikon, erreichen schliesslich Dänikon. Beide Ortschaften sind Gründungen aus dem 12. Jahrhundert, als sich an dem einen Ort ein Alemanne namens Tello niederliess, nicht weit davon ein anderer namens Tano. Dazu kam das alemannische Wort „hoven“ für Höfe, im Lauf der Jahre mundfaul verkürzt zu „kon“. Aus den kleinen Weilern sind im Lauf der Jahre schmucke Dörfer geworden, mit hübschen Einfamilienhäuschen und modernen Siedlungen. Dänikon zählt inzwischen genau 1869 Einwohner, steht in der Festzeitung. Dort steht jedoch auch, dass die Gemeinde an diesem Wochenende ihren 175. Geburtstag feiert. Was war dann mit dem alemannischen Gründungsvater? Tano, so lesen wir, hat hier mit seiner Sippe zwar schon vor rund 900 Jahren den Boden beackert. Aber später waren Dänikon und Dällikon eine Gemeinde, bis die beiden Orte 1843 auf Drängen der Däniker politisch getrennt wurden. Ein Autonomiestreben im Kleinen also, wie es heute auf der grossen politischen Bühne ein Thema ist.

Die Festzeitung weist uns den Weg zu Bierzelt und Schiessbude, wir können aber auch einfach der Musik folgen. Weit kommen wir allerdings nicht. Bereits am ersten Stand duftet es verführerisch nach Fettgebackenem. „Die beste Rosechüechli gits bei eus“, verspricht ein Plakat der Trachtengruppe Furttal. Ein filigranes und knuspriges Gebäck, das mit einer Art Brenneisen in der Fritteuse hergestellt wird. Ob es die besten sind? Sie sind auf alle Fälle köstlich. Allerdings sind wir nun mit der falschen Vorspeise ins kulinarische Angebot eingestiegen. Aber auf solchen Festen erliegt man sowieso immer der Zufälligkeit der Versuchungen, was eine Herausforderung für den Magen bedeutet. Vielleicht gibt es ja Menschen, die sich zuerst einen Überblick über alle Speisen und Getränke verschaffen und dann gezielt ihr Menü zusammenstellen. Wir schaffen es jedenfalls nicht. So gibt es nach den Rosenchüechli erst mal Egli im Bierteig, gefolgt von Apfelkuchen mit Kaffee und schliesslich, man muss es probieren, eine kleine Portion Beinschinken mit Kartoffelsalat.

Dorffeste sind zudem stets ein Schaulaufen der Vereine. Turnhöckler, Jodelklub, Milchverein, Männerriege und, natürlich, der Schiessverein, als Städter kann man sich nur wundern, was auf dem Land geboten ist. Und offensichtlich auch genutzt wird. Bei der Show der Karateschule zählen wir allein beim Nachwuchs mehr als zwanzig Kinder. Wer es bisher nicht geglaubt hat, der kann es hier sehen: Die Schweiz ist ein Land der Vereine. 80 000 soll es landesweit geben, in denen ein Viertel der Bevölkerung in mindestens einem Verein aktiv ist. So wie Françoise Roth. Ihre Heimatkundliche Vereinigung Furttal entdecken wir eher durch Zufall im Gewölbekeller des Anna-Stüssi-Hauses. Das 1810 erbaute Bauernhaus ist selbst ein heimatkundliches Denkmal, das die kinderlose Anna Stüssi 1971 der Gemeinde vermachte. In einer Vitrine erinnern eine schlichte Tracht und einige Haushaltsgegenstände an die Bauersfrau, Zeugen eines einfachen Lebens.

„Frau Roth, welche Sehenswürdigkeiten gibt es noch in Dänikon?“ Ob wir denn schon die Waldschenke Altberg kennen?, fragt die Vereinspräsidentin zurück. 30 Minuten sind es auf einem bequemen Waldweg zu der Wirtschaft auf dem Hügelzug zwischen Limmat und Furttal, ein idealer Verdauungsspaziergang nach Beinschinken und Co. Es ist zugleich eine echte Zeitreise. Die idyllisch im Wald versteckte Beiz sieht aus, als hätten sich hier schon unsere Urgrosseltern, sonntäglich herausgeputzt, auf ihrer Landpartie bei Speis und Trank gestärkt. Und auch die Preise wirken wie aus vergangenen Zeiten. Im Magen ist kein Platz mehr für Gerstensuppe oder gar Schweinehalssteak, aber wir geniessen bei einem Glas Riesling die Aussicht auf Zürich und bis zu den zum Greifen nahen Alpen. Wir haben ja noch endlos Zeit. Unser Chauffeur wartet unten im Dorf mit seiner Kutsche alle halbe Stunde auf uns.

 

Dies ist eine von 25 «Gute-Fahrt-Geschichten» rund um die Gemeinden des VBG-Marktgebiets. Die Texte wurden von verschiedenen Schweizer Autorinnen und Autoren zum 25 jährigen Bestehen der VBG verfasst und sind unter dem Titel «Unterwegs» auch in Buchform erschienen.

(Die in den Texten geäusserten Meinungen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der VBG. Teilweise sind die Geschichten auch frei erfunden.)

#Ausflüge & Freizeit#Gute-Fahrt-Geschichten
Markus Schmid

Markus Schmid ist Journalist, Buchautor, Texter, Coach und Dozent in Zürich. Für diese Geschichte hat er sich extra das Däniker Fest angesehen.

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